Grenzüberschreitende Vermögensnachfolgeplanung Deutschland-Österreich

Die Qual der Wahl – Grenz­über­schreitende Vermögens­nachfolge­planung am Beispiel Deutschland-Österreich

13.05.2020

Die am 17.08.2015 in Kraft getretene neue EU-Erbrechtsverordnung hat zahlreiche Neuerungen mit sich gebracht. Mit ihr soll ermöglicht werden, dass bei internationalen Erbfällen das anwendbare Erbrecht in den Mitgliedstaaten der EU nach denselben Regeln bestimmt wird. Während bis zum Inkrafttreten der Verordnung das anwendbare Erbrecht noch von der Staatsangehörigkeit des Erblassers abhängig war, wird nun das Recht des Landes angewendet, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Gegenstand des anwendbaren nationalen Rechts ist dabei die Rechtsnachfolge in Bezug auf sämtliche Vermögensgegenstände des Erblassers. Nach dem anwendbaren nationalen Recht wird festgelegt, wer Erbe und wer Pflichtteilsberechtigter ist, welche Befugnisse diesen Personen jeweils zustehen und wie der Eigentumsübergang auf die Erben erfolgen soll. Nicht von der EU-Erbrechtsverordnung erfasst sind jedoch die von den Erben zu entrichtende Erbschaftsteuer, familienrechtliche Fragen wie der Güterstand des Erblassers sowie unternehmensrechtliche Fragen.

Bestimmung des anwendbaren Erbrechts durch Rechtswahl

Der Erblasser hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, durch eine sog. Rechtswahl festzulegen, welches Erbrecht für seinen Erbfall gelten soll. Dadurch kann das Recht des Landes der Staatsangehörigkeit einer Person zum anwendbaren Erbrecht bestimmt werden. Lebt also der Erblasser z.B. in Deutschland, hat aber die österreichische Staatsangehörigkeit, so gilt grundsätzlich wegen des letzten gewöhnlichen Aufenthalts deutsches Erbrecht. Der Erblasser kann aber auch durch Rechtswahl österreichisches Erbrecht als das auf seinen Erbfall anwendbare Recht wählen. Die Rechtswahl kann in jeder nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser angehört oder in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zulässigen Rechtsform getroffen werden. Am besten erfolgt die Wahl durch die Aufnahme einer Rechtswahlklausel in das Testament.

Ob eine Rechtswahlklausel sinnvoll ist und welches Recht am besten Anwendung finden sollte, hängt von den individuellen Wünschen und Zielen des Erblassers ab. Das Erbrecht sieht in den verschiedenen Rechtsordnungen zum Teil ganz unterschiedliche Regelungen vor. Um zu entscheiden, welche Rechtsordnung die persönlichen Ziele besser verwirklichen kann, muss also eine Auseinandersetzung mit den erbrechtlichen Regelungen der infrage kommenden Rechtsordnungen erfolgen.

Wesentliche Unterschiede zwischen dem deutschen und dem österreichischen Erbrecht

Erbquoten nach der gesetzlichen Erbfolge

Das Erbrecht beider Rechtsordnungen sieht vor, dass bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge die Kinder zu gleichen Teilen erben. Wie hoch die jeweilige Erbquote der Kinder ist, hängt aber nicht nur von der Anzahl der Kinder, sondern auch davon ab, ob der Erblasser verheiratet war. In Österreich erbt der Ehegatte bei gesetzlicher Erbfolge stets ein Drittel des Nachlasses, die übrigen zwei Drittel werden auf die Kinder zu gleichen Teilen aufgeteilt. In Deutschland hängt die Erbquote des Ehegatten hingegen vom ehelichen Güterstand ab. So beträgt z.B. die Erbquote des Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ein Viertel, wird jedoch um ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich erhöht, sodass der Ehegatte insgesamt die Hälfte des Nachlasses erhält. Die Abkömmlinge teilen sich die andere Hälfte.

Daran wird deutlich, dass – je nach Güterstand des Erblassers – die gesetzlichen Erbquoten in den beiden Ländern unterschiedlich hoch sein können.

Pflichtteilsrecht

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich gibt es eine Mindestteilhabe am Nachlass, das sog. Pflichtteilsrecht. Die Höhe des Pflichtteils beträgt dabei die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ein Pflichtteilsrecht steht in beiden Staaten dem Ehegatten und den Abkömmlingen des Erblassers zu. Das deutsche Erbrecht sieht jedoch zusätzlich auch ein Pflichtteilsrecht der Eltern des Erblassers vor, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind. Die österreichische Rechtsordnung hingegen gesteht den Eltern kein eigenes Pflichtteilsrecht zu.

In beiden Ländern sind der Schmälerung des Nachlasses durch lebzeitige Schenkungen und der damit einhergehenden Pflichtteilsreduzierung Grenzen gesetzt. Dabei werden die Schenkungen fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet und hieraus der Pflichtteil berechnet. Die Differenz aus dem fiktiven Pflichtteil und dem ordentlichen Pflichtteil nennt man Pflichtteilsergänzungsanspruch. Welche Schenkungen für die Pflichtteilsergänzung Berücksichtigung finden, ist aber im deutschen und im österreichischen Erbrecht unterschiedlich geregelt. In Deutschland sind mit jedem vollen Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, vom Wert der Schenkung zehn Prozent abzuziehen. Liegt zwischen der Schenkung und dem Erbfall also ein Jahr, so wird die Schenkung nur noch zu 90 Prozent berücksichtigt. Sobald die Schenkung beim Erbfall bereits länger als zehn Jahre zurückliegt, ist sie für die Pflichtteilsberechnung nicht mehr heranzuziehen. In bestimmten Ausnahmefällen gilt diese 10-Jahres-Frist aber nicht. Dies gilt zum einen für Schenkungen zwischen Ehegatten. Zum anderen ist Voraussetzung, dass der Erblasser den Vermögensgegenstand auch tatsächlich wirtschaftlich aus seinem Vermögen weggegeben hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn er sich bestimmte Gegenrechte wie z.B. ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück vorbehält.

Im österreichischen Recht kommt es hingegen darauf an, ob die Schenkung an eine pflichtteilsberechtigte Person oder an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person gemacht wurde. Eine Schenkung an nicht pflichtteilsberechtigte Personen wird nur dann für die Ergänzung berücksichtigt, wenn sie beim Erbfall weniger als zwei Jahre zurückliegt. Bei Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen gibt es hingegen keinerlei Grenze für die Berücksichtigungsfähigkeit der Schenkung.

Nur in absoluten Ausnahmefällen kann der Pflichtteil einer Person entzogen werden, so etwa bei dem Versuch, den Erblasser zu töten. Anders als in Deutschland erlaubt die österreichische Rechtsordnung dem Erblasser, den Pflichtteil um die Hälfte zu kürzen, wenn zu dem Pflichtteilsberechtigten kein oder nur wenig Kontakt besteht, wobei dies nicht auf eine grundlose Kontaktverweigerung des Erblassers zurückzuführen sein darf. Ein klassischer Fall ist die Kürzung des Pflichtteils eines nichtehelichen Kindes durch den Vater, wenn zu diesem seit vielen Jahren kein Kontakt besteht. Eine vergleichbare Regelung sieht das deutsche Erbrecht nicht vor.

Bindung des Nachlasses

Grundsätzlich kann der Erblasser seine letztwilligen Verfügungen jederzeit widerrufen, sodass sie ihre Wirksamkeit verlieren. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, sich durch Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments oder eines Erbvertrags an seine Verfügungen zu binden. Während der Erblasser dabei in Deutschland eine verbindliche Regelung über sein gesamtes Vermögen treffen kann, darf er sich im Rahmen eines Erbvertrages nach österreichischem Recht nur bezüglich drei Viertel seines Nachlasses binden.

Erbrechtliche Stellung des Lebensgefährten

In Deutschland kann der nichteheliche Lebensgefährte nur dann Rechte aus dem Nachlass geltend machen, wenn er vom Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt wurde. Das galt bis zur Erbrechtsreform auch in Österreich. Seit 2017 erbt dort jedoch der Lebensgefährte immer, wenn es keine gesetzlichen oder in einem Testament eingesetzten Erben gibt, soweit der Lebensgefährte mit dem Verstorbenen zumindest in den letzten drei Jahren in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes weder verheiratet war noch in einer eingetragenen Partnerschaft gelebt hat. Außerdem gibt es für den Lebensgefährten nun auch ein gesetzliches Vorausvermächtnis, d.h. dieser hat unter den genannten Voraussetzungen auch das Recht, nach dem Tod des Erblassers für eine gewisse Zeit, höchstens aber ein Jahr, weiter in der gemeinsamen Wohnung zu wohnen.

Die Beispiele zeigen ganz deutlich: obwohl Deutschland und Österreich europäische Nachbarländer sind, in denen die gleiche Sprache gesprochen wird, sind die erbrechtlichen Bestimmungen nicht identisch. Wer die Unterschiede kennt, ist klar im Vorteil bei einem deutsch-österreichischen Erbfall oder einer grenzüberschreitenden Nachlassplanung.

Sind auch Sie nicht sicher, welches Recht Sie für Ihren Erbfall festlegen wollen? Die Rechtsanwälte von Transalp-Recht helfen Ihnen gerne bei der Frage, ob deutsches oder österreichisches Recht ihre Vorstellungen besser verwirklichen kann.