Erbrecht goes Europe!
12.12.2018
Seit dem 17.08.2015 rückt Europa jedenfalls erbrechtlich näher zusammen. Für alle Erbfälle ab diesem Datum gilt nämlich die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Seitdem wird innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten (Ausnahme: Dänemark, Irland und der Noch-Mitgliedsstaat Großbritannien) bei einem Erbfall und dem dann anwendbaren nationalen Recht einheitlich auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers abgestellt. Zuvor konnte der Anknüpfungspunkt durchaus kollidieren. Während Länder wie Deutschland und Österreich die Nationalität des Verstorbenen als maßgeblich ansahen, orientierte sich beispielsweise Frankreich daran, wo das Vermögen des Verstorbenen belegen war. Verstarb also ein deutscher Staatsangehöriger mit Immobilienbesitz in Frankreich, so war nach Auffassung der Deutschen zunächst deutsches Erbrecht anwendbar, wohingegen die Franzosen französisches Erbrecht zugrunde legen wollten. Die Abwicklung solcher internationaler Erbfälle gestaltete sich durchaus schwierig. Gelöst wurden diese komplexen Sachverhalte über sog. Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts – oft mit durchwachsenem Erfolg.
Seit dem 17.08.2015 ist das Geschichte.
Künftig können Erbfälle mit einem unionsinternen Sachverhalt unabhängig von Staatsangehörigkeit und vom Belegenheitsort des Vermögens am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers abgewickelt werden. Kennt man die Inhalte der nationalen Rechtsordnungen, kann das eine Vielzahl an Gestaltungschancen eröffnen. Seit Inkrafttreten der EuErbVO können beispielsweise Testamente für in Österreich lebende deutsche Staatsangehörige nach österreichischem Recht gestaltet werden. Erweist sich das deutsche Recht als attraktiver, kann mit Hilfe einer testamentarischen Rechtswahlklausel aber auch das nationale Heimatrecht des Erblassers als für den Erbfall anwendbar gewählt werden. Interessant ist das beispielsweise im Pflichtteilsrecht. Immer abhängig vom Einzelfall kann die deutsche Pflichtteilsquote niedriger sein als die österreichische. Der Grund liegt in der Vielschichtigkeit des deutschen Ehegüterrechts und seinem Einfluss auf die Erb- und Pflichtteilsquoten der Abkömmlinge. Auch andere Fallkonstellationen, in denen das österreichische Recht gegenüber dem Deutschen die Nase vorne hat, sind denkbar. Nach deutschem Recht ist es nahezu unmöglich, einen Abkömmling unterhalb der Pflichtteilsschranke als verfassungsmäßig garantierter Mindestteilhabe wertmäßig vom Nachlass auszunehmen. Das österreichische Recht lässt anders als das Deutsche in besonders gelagerten Konstellationen weitere Kürzungen zu. So formuliert § 776 ABGB eine sog. Pflichtteilsminderung, wenn zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem während „eines längeren Zeitraums“ vor dem Tod kein „unter Familienangehörigen gewöhnliches Näheverhältnis“ bestanden hat. In diesen Fällen darf in Österreich anders als in Deutschland der Pflichtteil um die Hälfte gemindert werden. Seit Inkrafttreten der Erbrechtsreform zum 01.01.2017 wurde diese Möglichkeit der Pflichtteilsminimierung in Österreich sogar noch ausgeweitet.
Gewusst wie!
Die EuErbVO hat viele Verfahrenserleichterungen mit sich gebracht und eröffnet zahlreiche Chancen. Das setzt allerdings voraus, dass man sich in mehreren nationalen Rechtsordnungen auskennt und deren Inhalte miteinander vergleichen kann. Die europäische Union hat (ohne Großbritannien, Irland und Dänemark) derzeit 25 Mitgliedstaaten, die an der Verordnung teilnehmen. Es ist auch für Experten unmöglich, das nationale Erbrecht all dieser Staaten und daneben auch das Recht weiterer Nachbarstaaten der Europäischen Union gleichermaßen gut zu beherrschen. Aus diesem Grund fokussieren sich die Anwälte von Transalp-Recht auf die Alpenregion. Unsere Zielsetzung ist es, unseren Mandanten über unser internationales Netzwerk an Erbrechtsspezialisten eine optimale Betreuung für deren internationalen Erbfall anbieten zu können.
Sie haben Fragen zur Abwicklung eines deutsch-österreichischen Erbfalls oder möchten sich zur Testamentsgestaltung und Vermögensnachfolge bei einem internationalen Sachverhalt beraten lassen? Dann sind Sie bei uns richtig. Die Anwälte von Transalp-Recht in München und Wien stehen Ihnen gerne mit ihrem Expertenwissen zur Verfügung.