Das Europäische Nachlasszeugnis

ENZ – Das Europäische Nachlasszeugnis

17.12.2018

Gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ist der Nachlass grundsätzlich in jenem Staat abzuhandeln, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies gilt für sämtliche Nachlasswerte, also auch solche, die in anderen Staaten gelegen sind. Verstirbt also beispielsweise ein deutscher Staatsangehöriger, der in Deutschland auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, jedoch ein Ferienhaus in Kufstein sein Eigen nennen konnte, so ist das deutsche Nachlassgericht auch für die Abhandlung hinsichtlich der Ferienwohnung in den Tiroler Bergen zuständig.

Dieses Regelungskonzept macht eine einheitliche Urkunde erforderlich, mit der die Stellung als Erbe im gesamten Geltungsbereich der EuErbVO nachgewiesen werden kann. Deshalb wurde mit der EuErbVO das Europäische Nachlasszeugnis (kurz ENZ) eingeführt.

Zweck des ENZ ist insbesondere der Nachweis der Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer samt dem jeweiligen Anteil am Nachlass, sowie auch der Befugnis zur Vollstreckung des Testaments oder Verwaltung des Nachlasses. Es wird zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt.

Das ENZ entfaltet in erster Linie einen Gutglaubensschutz: Es wird nämlich vermutet, dass das Zeugnis die darin dargestellten Sachverhalte zutreffend ausweist, und dass der Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, tatsächlich diese Rechtstellung zukommt. Das ENZ hat ein „Ablaufdatum“: Ausfertigungen sind nur bis zu sechs Monaten gültig.

Insbesondere in Anbetracht des zuletzt genannten Umstandes mag man es durchaus überraschend finden, dass das ENZ aber auch ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in die einschlägigen Register der Mitgliedstaaten darstellt. Enthält der Nachlass Liegenschaften, erfolgt unmittelbar auf Grundlage des ENZ die Grundbuchseintragung. Weitere Urkunden oder Bescheinigungen oder auch nur Präzisierungen dürfen vom Grundbuchs- bzw. Registergericht nicht verlangt werden. So sprach der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich aus, dass auf Grund eines vom Amtsgericht München ausgestellten ENZ eine Grundbuchseintragung durch das Bezirksgericht Salzburg hinsichtlich einer in dessen Sprengel gelegenen nachlassgegenständlichen Liegenschaft zu erfolgen hat, auch wenn im ENZ nicht alle grundbücherlichen Daten vollständig genannt sind (jedoch keine Zweifel bestehen, um welche Liegenschaft es sich handelt – Entscheidung 5 Ob 35/18 k).

Für den eingangs genannten Beispielfall bedeutet das, dass die Eintragung des Eigentumsrechtes der Erben an dem Ferienhaus in Kufstein unmittelbar auf Grund des vom deutschen Nachlassgericht ausgestellten ENZ erfolgen kann. Eine umständliche „Nachtragsabhandlung“, wie dies in Österreich vor dem In-Kraft-Treten der EuErbVO hinsichtlich in Österreich gelegenen Liegenschaftsvermögens, das Personen mit Wohnsitz im Ausland geerbt hatten, erforderlich war, ist nicht mehr notwendig.

Neben dem ENZ, das ja wie gesagt zum Nachweis der Erbenstellung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt ist, bestehen weiterhin die im jeweiligen nationalen Recht vorgesehenen Dokumente zum Erbübergang, wie beispielsweise der Erbschein in Deutschland oder der Einantwortungsbeschluss in Österreich.

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